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BTS BCB 75P (baugl. Sony BVW 75P) - oder: Meine erste MAZ

 

 

„Eine MAZ? Wozu zum Teufel brauchst du heutzutage noch eine Betacam SP MAZ?“ fragt mich ein Kollege, als ich ihm stolz von meiner neuesten Erwerbung berichte: Ein BTS BCB 75P Schnittrekorder – in Fernsehkreisen kurz MAZ (magnetische Aufzeichnung) genannt – der Betacam SP Videokasetten verwendet. Natürlich hat mein Kollege recht: In Zeiten von Full HD und 4K fällt mir auf Anhieb kein Kameramann mehr ein, der noch mit Betacam SP arbeitet. Selbst die Nachfolgeformate Digital Betacam und Betacam SX sterben mehr und mehr aus. Was beim Ton und Foto schon seit Jahren Standard ist, macht auch vor der Filmproduktion nicht halt: Die Aufnahme auf Flashspeicher. Vorbei die Zeiten, wo das Videoband im falschesten Augenblick zu Ende war, vorbei die teure Justage von Videoköpfen. Einfach eine SxS-, Compact-Flash- oder SD-Karte in den Camcorder eingelegt und los geht es. Und mit den heutigen Speicherkarten-Preisen können Bandhersteller schon längst nicht mehr mithalten. Warum also kaufe ich mir ein solch veraltetes Gerät?



Die Lösung ist simpel: Nostalgie. Reine Nostalgie. In den 80er und frühen 90er Jahren biesuchten mein Vater und ich regelmäßig die Photokina in Köln. Das machen wir zwar auch heute noch, seinerzeit war die Messe aber in zwei Bereiche aufgeteilt: Consumer und Professional. Wer in den Professional-Bereich wollte, musst noch ein paar D-Mark zum normalen Eintrittsticket zusätzlich berappen, wozu wir auch gerne bereit waren. Denn hier gab es neben Super 16 und 35mm Kinofilm-Kameras, Projektoren und Stativen auch all die faszinierenden Broadcast-Videomaschinen zu sehen. Übersät mit Knöpfen, Schaltern und Reglern übten sie auf uns beide eine schwer zu beschreibende Faszination aus, ein „unbedingt haben wollen“. Allerdings gab es da ein kleines Problem. Der Preis. Egal ob Schulterkamera oder Rekorder – alles war exorbitant teuer. So wie meine BCB 75P von BTS (Broadcast Television Service), die übrigens mit der Sony BVW 75P MAZ baugleich ist und als die beste analoge MAZ gilt, die je gebaut wurde. Sie verwendet Kassetten im Betacam SP-Format, welches von Sony entwickelt und 1987 auf den Markt gebracht wurde. Dabei gibt es zwei Kassettengrößen: Typ S (small) mit den Maßen 156 x 96 x 25 mm und einer maximalen Laufzeit (in PAL / NTSC) von 36 bzw. 31 Minuten sowie L (large) mit den Maßen 245 x 145 x 25 mm und einer maximalen Laufzeit (in PAL / NTSC) von 110 bzw. 94 Minuten. Die kleineren S-Kassetten wurden in Betacam SP-Camcordern verwendet, lassen sich aber natürlich auch wie die L-Kassetten auf den stationären Studiomaschinen verwenden. Betacam SP galt lange Jahre in allen TV-Anstalten als Standard. Eine Besonderheit der BCB 75P (das P steht für den Fernsehstandard PAL) ist das Dynamic Tracking, dank der diese MAZ perfekte, störstreifenfreie Zeitlupen (Slow-Motion) liefert.

Solch ein Schnittrekorder kostete seinerzeit rund die Hälfte einer durchschnittlichen Eigentumswohnung: Satte 80.000.- (in Worten Achtzigtausend) Deutsche Mark verlangte Sony damals von seinen Kunden. Für Fernsehanstalten wie WDR und ZDF oder große TV-Produktionsgesellschaften kein Problem – für einen Privatmann aber völlig außer Reichweite. Ich erinnere mich noch gut an die Firma DeKaBo in Meckenheim, mit der ich während meiner Zeit im Einzelhandel viel zu tun hatte. Dort standen Betacam SP-Player und Rekorder gleich dutzendweise herum. Auch wenn es seltsam klingen mag, aber ich war glücklich, wenn ich in eines der Geräte mal eine Kassette einlegen und die Starttaste drücken durfte. „Wow – du hast eine „Beta“ bedient“ :) Ich vergleiche das mit Leuten, die mal in einem Ferrari mitfahren dürfen. Nicht wirklich sinnvoll, aber doch irgendwie geil  :).


Rund 20 Jahre später stöberte ich an einem Mai-Abend auf einer bekannten Auktionsplattform aus Langeweile herum. Und irgendwie kam ich auf die Idee einfach mal Betacam SP in die Suchmaske einzugeben. Siehe da, Treffer über Treffer. Allerdings kosteten viele der angebotenen Geräte immer noch gutes Geld, wenn auch nur noch einen Bruchteil des Neupreises. Nichts desto trotz definitiv zu teuer für ein Gerät, für das ich beruflich keinerlei Verwendung habe. Dennoch ging ich von nun an mindestens einmal in der Woche auf die Pirsch, in der Hoffnung, vielleicht doch den ultimativen Schnapp zu machen. Mitte Juli war es dann soweit: Eine Auktion verlief vielversprechend, daß bisherige Höchstgebot war ein Witz und mit dem Artikelstandort Köln war klar: Das Ding  musst du haben. Nur nicht die Nerven verlieren und das Gebot zu früh abgeben, sonst wirst du noch in den letzten Sekunden abgefangen, dachte ich mir. Dennoch, am Ende wurde ich um lächerliche 50 Cent überboten und ging so frustriert leer aus. Nichts war es also, mit der Betacam SP. Zwei Wochen später die Überraschung:  Eine Mail von der Verkäuferin!!! Der Höchstbietende sei nicht in der Lage, den Rekorder abzuholen. Ob ich immer noch Interesse hätte. „Ja, habe ich“ schrieb ich zurück. Gleich am nächsten Tag ging es in die Domstadt, wo ich den bleischweren Klotz (unglaubliche 35 Kilogramm!!!) bei strömendem Regen in Empfang nahm. Auf der Rückfahrt fuhr ich so vorsichtig, als hätte ich Nitroglycerin geladen. Dem kostbaren Schatz durfte ja nicht das Geringste zustoßen :) :) :) Am gleichen Tag habe ich noch bei einem anderen Anbieter zwei nagelneue Kassetten gekauft und auch gleich abgeholt. Zuhause angekommen, saß ich erst mal eine Weile vor der ausgeschalteten Maschine und grinste in mich hinein. „Die ist jetzt dir. Endlich!!!“ Dann kam der große Augenblick: POWER ON!

Der Lüfter auf der Rückseite sprang sofort an und auch alles andere, was man in einem Kurztest checken kann, funktionierte. Nur ein Problem hatte und habe ich noch. Die Verkäuferin besaß keine Betriebsanleitung mehr. Und so eine MAZ ist nicht wirklich selbsterklärend. Aber die bekomme ich sicher noch aufgetrieben. Und so sitze ich hier nun, schreibe meinen allerersten Blogeintrag und erfreue mich an diesem herrlichen Gerät, das hier vor mir steht. Und für das ich nicht mal ein Promille des Neupreises bezahlt habe.



Betacam SP, Betacam SX und Digital Betacam sind eingetragene Warenzeichen der Sony Corporation, Tokyo.

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